Marius Brülhart
Überdurchschnittlich viele Hausbesitzer hegen derzeit den Wunsch, ihr Eigentum noch vor den Festtagen an die jüngere Generation zu überschreiben – und dies obwohl, so ist anzunehmen, viele dieser Schenker kerngesund sind und eigentlich noch Freude haben an ihrem Immobilienbesitz.
Zugrunde liegt der vorweihnächtlichen Grosszügigkeit eine mögliche Veränderung des Steuersystems. Ab Neujahr besteht nämlich die Gefahr, dass verschenkte Vermögenswerte über der Zweimillionengrenze dereinst mit einem Steuersatz von 20 Prozent belangt werden. Eine Rückwirkungsklausel in der unlängst lancierten Initiative für eine nationale Erbschaftssteuer sieht es so vor.
Eine vorverschobene Vermögensübertragung angesichts der drohenden Besteuerung kann für die Betroffenen durchaus sinnvoll sein. Der Ansturm auf die Notariate ist somit weder überraschend noch verwerflich. Und dennoch ist diese Reaktion für die Betroffenen kostspielig, denn wäre das Steuergespenst nicht am Horizont aufgetaucht, hätten die meisten mit der Überschreibung noch zugewartet.
Volkswirtschaftlich betrachtet ist dies ein besonders augenscheinliches Beispiel der versteckten Kosten, die jede Steuer nach sich zieht. Den vorzeitigen Schenkern entsteht materieller und emotionaler Aufwand. Und manch einem Beschenkten dürfte es bei der Sache auch nicht ganz wohl sein – nicht zuletzt wenn er durch die Transaktion an die Vergänglichkeit seiner Eltern erinnert wird. Wie trefflich somit der englische Ausdruck für solch versteckte Kosten von staatlichen Eingriffen in die wirtschaftliche Freiheit: „deadweight loss“.
Und dennoch: Gerade hinsichtlich der versteckten Kosten schneidet die Erbschaftssteuer besser ab als andere Steuerarten. Steuern schaffen immer Anreize zur Vermeidung, aber die Ausweichmöglichkeiten bei der Erbschaftssteuer sind relativ gering. In den USA werden die Kosten von Ausweichmanövern auf 3 bis 8 Cents pro Dollar Erbschaftssteuereinnahmen geschätzt. Meine Schätzung für die Schweiz liegt zwischen 1 und 12 Rappen pro kantonalem Erbschaftssteuerfranken. Dies sind relativ tiefe Werte. Eine aktuelle amerikanische Studie (in der Schweiz gibt es meines Wissens noch nichts Vergleichbares) beziffert den „deadweight loss“ der Einkommenssteuer beispielsweise auf 20 Cents pro Dollar im Durchschnitt, und auf 34 Cents wenn man nur den obersten Teil des Steuertarifs betrachtet.
Die gegenwärtige Bescherungsfreude von Immobilienbesitzern liefert ein treffliches Beispiel der unseligen Nebenwirkungen von Steuern. Paradoxerweise erinnert sie uns gleichzeitig daran, dass die Erbschaftssteuer gerade hinsichtlich ihrer ökonomischen Nebenwirkungen eine der schmerzloseren Steuerarten ist.